«PFAS sind nicht einfach biologisch abbaubar»
Was sind PFAS und welche Eigenschaften machen sie besonders? Warum werden PFAS in so vielen unterschiedlichen Produkten eingesetzt?
PFAS sind sogenannte organische Chemikalien, also Chemikalien, die Kohlenstoff enthalten. In den PFAS-Molekülen bildet der Kohlenstoff eine Kette von Atomen, die wiederum Fluoratome tragen. Daher kommt auch die Abkürzung "PFAS", sie steht für "Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen". Das Fluor verleiht den Substanzen besondere Eigenschaften, nämlich eine aussergewöhnliche Stabilität gegenüber Hitze, Feuer und aggressiven Chemikalien. Auch macht es sie wasser- und fettabweisend. Daher lassen sie sich etwa gut als Imprägnier- und Schmiermittel einsetzen. Die besonderen Eigenschaften von PFAS machen sie zu leistungsfähigen Substanzen, welche hunderte von Funktionen erfüllen können.
Wie viele verschiedene PFAS-Verbindungen gibt es ungefähr, und wie unterscheiden sie sich? Gibt es verschiedene Gruppen?
Auf dem Markt sind rund 1000 verschiedene PFAS gebräuchlich. Es gibt vier grosse Gruppen:
1. funktionelle Produkte wie Imprägnier- und Schmiermittel sowie Feuerlöschschäume,
2. Prozesshilfsmittel, die bei der Herstellung von Fluorpolymeren wie Teflon eingesetzt werden,
3. Fluorpolymere selbst, also hochbeständige Kunststoffe,
und 4. fluorierte Gase, die beispielsweise als Wärmeüberträger in Kühlanlagen oder Wärmepumpen eingesetzt werden. Die Substanzen aus der 2. Gruppe werden benötigt, um die Polymere aus 3. Gruppe herzustellen, verbleiben aber nicht unbedingt im Endprodukt. Die grössten Produktionsmengen entfallen auf die Fluorpolymere (3. Gruppe) und die fluorierten Gase (4. Gruppe).
Wie gelangen PFAS in die Umwelt und welche Wege nehmen sie dort?
Eine der grössten Quellen für PFAS in der Umwelt war die Herstellung von Fluorpolymeren (3. Gruppe). Dabei gelangten früher grosse Mengen der eingesetzten Hilfsstoffe (2. Gruppe) in die Umwelt, vor allem die Chemikalie PFOA ("Perfluoroktansäure"). [Anm. d. Red.: Hilfsstoffe wie PFOA wurden etwa von 1960 - 2000 eingesetzt. Heute sind viele dieser Stoffe in Europa stark reguliert oder verboten. Doch PFAS sind sehr langlebig, darum sind auch heute noch frühere Emissionen messbar.] In der Schweiz gibt es jedoch keine Produktionsanlagen für Fluorpolymere, bei denen solche Hilfsstoffe in die Umwelt gelangen konnten. Eine weitere Quelle waren Feuerlöschschäume, die an Flugplätzen, in Militäranlagen und in der Industrie benutzt wurden - oft auch zu Trainingszwecken - und dadurch direkt in die Umwelt gelangten. Auch Klärschlämme, die früher als Dünger auf Feldern ausgebracht wurden, enthielten PFAS aus Abwässern. Dies war auch in der Schweiz üblich und gilt als Ursache für belastete Böden im Kanton St. Gallen. Ähnlich problematisch ist kompostiertes Papier, das mit PFAS beschichtet war und nach der Kompostierung als Dünger auf Felder kam - so geschehen in der Region Rastatt in Deutschland.
Warum sind PFAS nicht einfach biologisch abbaubar?
Die chemische Bindung zwischen Kohlenstoff und Fluor ist extrem stabil, und es gibt keinen Prozess in der Umwelt - wie etwa Bestrahlung durch Sonnenlicht, Angriff von Mikroorganismen oder Reaktion mit reaktiven chemischen Substanzen - der genug Energie aufbringt, um diese Bindung zu brechen. Daher verbleiben PFAS auf unbestimmte Zeit in der Umwelt. Je mehr davon in die Umwelt gelangt, desto höher werden in der Folge die Konzentrationen... Dies ist ein gravierendes Problem und der Grund dafür, dass die Emissionen von PFAS in die Umwelt möglichst schnell möglichst stark reduziert werden müssen.
PFAS sind wegen ihrer Langlebigkeit und Stabilität auch in Umwelt und Organismen nachweisbar. Können Sie kurz erläutern, was das bedeutet?
Zunächst bedeutet es, dass Menschen, Tiere und auch Pflanzen den PFAS in ihrem Körper langfristig ausgesetzt sind. Das ist problematisch, denn PFAS sind giftig und können im menschlichen Körper ein breites Spektrum von chronischen Krankheiten auslösen. Dies umfasst die Schädigung von Leber, Niere und Schilddrüse, Nieren- und Hodenkrebs, Schädigung des Fettstoffwechsels, chronische Entzündung des Dickdarms ("ulzeröse Kolitis"), verminderte Spermienzahl bei Männern, Fehlgeburten bei Frauen, eine Schwächung des Immunsystems und weiteres.
Welche Ansätze oder Technologien gibt es, um den Einsatz von PFAS in Produkten zu steuern oder zu reduzieren? Welche Alternativen bestehen aktuell?
Der wichtigste Ansatz im Kampf gegen PFAS ist der Umstieg auf Alternativen. Für viele Anwendungsbereiche gibt es bereits Ersatzstoffe - allerdings nicht als "Allheilmittel". Weil PFAS so vielseitig eingesetzt werden, müssen zahlreiche verschiedene Lösungen entwickelt werden. In Forschung und Entwicklung sind deshalb Chemie, Ingenieurwesen und Materialwissenschaften gleichermassen gefragt. In manchen Fällen werden PFAS gar nicht benötigt oder können leicht ersetzt werden, z.B. in Skiwachs und Backpapier. In anderen Bereichen ist dies schwieriger. Doch die letzten Jahre zeigen: Auch für anspruchsvolle Einsätze lassen sich Alternativen finden. Ein Beispiel sind Feuerlöschschäume für brennendes Benzin, die lange PFAS enthielten. Seit über 15 Jahren gibt es genauso leistungsfähige, PFAS-freie Varianten. Ein weiterer sehr wichtiger Bereich sind die Geräte und Anlagen der Energiewende – Batterien, Wärmepumpen, Brennstoffzellen oder Wasserstoffgeneratoren. Oft heisst es, PFAS seien für diese Geräte unverzichtbar. Tatsächlich aber gibt es inzwischen alle diese Geräte auch in Versionen ohne PFAS.
Wie geht die Chemiebranche mit den Herausforderungen rund um PFAS um?
Die Chemiebranche ist nicht einheitlich: Einige Firmen entwickeln bereits seit längerem Alternativen zu PFAS und haben diese auf dem Markt. Ein anderer Teil, die fluorchemische Industrie, stellt PFAS her. Es gibt Hinweise darauf, dass sie sich zunehmend auf industrielle Anwendungen konzentriert und PFAS für Konsumprodukte weitgehend zurückfährt. Dieser Prozess ist jedoch wenig transparent, das PFAS in Produkten nicht deklariert werden müssen. Zusätzlich beziehen viele Industriezweige PFAS von Herstellern, um sie etwa für Beschichtungen von Metall oder Textilien oder für technische Bauteile, Implantate und andere Produkte zu nutzen. Manche Firmen sind hier bereits auf Alternativen umgestiegen – etwa bei Sportbekleidung oder Möbeln –, andere befinden sich noch im Übergang. Ein einheitlicher Prozess existiert nicht, sodass weiterhin Produkte mit PFAS auf dem Markt sein können.