Familie Richter
Diese Woche: PFAS

«Nicht alle PFAS sind gleich – pauschale Verbote schaden»

Im heutigen Interview erklärt Tobias Gerfin, CEO von Kuhn Rikon, die Rolle von PTFE als Antihaftbeschichtung und warum der differenzierte Umgang mit PFAS wichtig ist.
Die Diskussion um PFAS und Antihaftbeschichtungen ist komplex und emotional. Kuhn-Rikon-CEO Tobias Gerfin erläutert im Interview, warum PTFE weiterhin unverzichtbar bleibt, welche Herausforderungen bei Alternativen bestehen und warum eine differenzierte Betrachtung notwendig ist.

Teflon ist seit Jahrzehnten die meistverwendete Antihaftbeschichtung von Pfannen und heisst eigentlich Polytetrafluorethylen (PTFE). Das Traditionsunternehmen Kuhn Rikon, bekannt für hochwertiges Kochgeschirr und Küchenzubehör, zählt antihaftbeschichtete Pfannen zu seinen Kernkompetenzen. Im Interview nimmt CEO Tobias Gerfin Stellung zur aktuellen Debatte, erläutert bereits ergriffene Massnahmen und gibt eine Einschätzung zu möglichen Auswirkungen auf zubereitete Lebensmittel.

Antihaftpfannen sind heute aus dem Küchenalltag kaum wegzudenken. Welchen Stellenwert nehmen sie bei der Gestaltung der Produktpalette von Kuhn-Rikon ein?

Bratpfannen sind für Kuhn Rikon mit einem Umsatzanteil von 30% sehr wichtig. Ein grosser Teil der Bratpfannen wird mit einer Antihaftbeschichtung gekauft, da sich die Konsumentinnen und Konsumenten auf diese Eigenschaften verlassen.

Die Diskussion rund um PFAS in Antihaftbeschichtungen ist derzeit sehr präsent. Wie und wann hat Sie diese Thematik erstmals erreicht?

Schon vor dreissig Jahren wurde das Thema von den Regulatoren aufgegriffen. Damals ging es um die Substanz PFOA, ein Beispiel der PFAS-Gruppe von über 14'000 Substanzen. In der Herstellung von PTFE-Schichten wurde PFOA eingesetzt, um eine optimale Polymerisierung zu gewährleisten. Dabei ist zu beachten, dass im Ausgangsmaterial der Anteil von PFOA im Vergleich zum Polymer PTFE sehr klein war und in den fertigen Produkten kaum noch nachgewiesen werden konnte. Deshalb stufen Experten die Nutzung von PTFE-Antihaftbeschichtungen immer wieder als unbedenklich ein. Vor über zehn Jahren wurde die Nutzung von PFOA in der Herstellung von Bratpfannen verboten.

Hat Sie die Erkenntnis über das Vorhandensein von PFAS-Rückständen in Ihren Pfannen überrascht?

Ihre Frage zeigt einige Aspekte auf. Das von uns verwendete PTFE ist kein Rückstand, sondern ist das entscheidende Material, das die Antihafteigenschaften garantiert. Die über 14'000 PFAS werden in den Medien immer wieder in den gleichen Topf geschmissen. Aber viele PFAS sind nicht giftig, nicht krebserzeugend und breiten sich nicht leicht von selbst in der Umwelt aus. Das bedeutet, sie bilden kein Risiko für die Gesundheit oder die Umwelt. Ein Verbot aller PFAS auf der Annahme, dass alle das gleiche Baustein, eine definierte Kohlenstoff-Fluor-Gruppe, enthalten, ist wissenschaftlich so sinnvoll, wie alle Metalle zu verbieten, weil einige radioaktiv sind. Die PFAS-Diskussion muss von Politik, Medien, NGOs, den Konsumierenden und der Industrie viel präziser geführt werden, damit keine unsinnigen Verbote ausgesprochen werden, die mehr Schaden als Nutzen verursachen.

In einer Mitteilung erklärt Kuhn Rikon, dass in Ihren Produkten das zu den PFAS gehörende Fluorpolymer PTFE (Polytetrafluorethylen) verwendet wird. Was genau ist PTFE und welche Funktion erfüllt es in Ihren Produkten?

Besonders Fleisch wird bei höheren Temperaturen in Bratpfannen angebraten. Damit das Lebensmittel nicht verbrennt und unter Umständen weggeschmissen werden muss, verwenden wir bei Kuhn Rikon seit 60 Jahren PTFE. Dies ist ein Fluoropolymer, das zur grossen Gruppe der über 14'000 PFAS gezählt wird, aber weder giftig noch krebserregend ist. Wie bereits erwähnt, wird es von Expertinnen und Experten immer wieder als sicher eingestuft. Gerade Anfang Juni 2025 wurde dies erneut vom deutschen Bundesamt für Risikoanalyse (BfR) bestätigt. 

Verwenden auch andere Hersteller PTFE für Antihaftbeschichtungen oder gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung und Herstellweise der Pfannen? 

PTFE ist die weltweit etablierte Lösung für Antihaftbeschichtungen und wird von sehr vielen Herstellern angeboten, übrigens auch in der Herzchirurgie. In der Herstellung wird eine wässrige Dispersion - eine Mischung aus fein verteilten PTFE-Partikeln - auf das Metall aufgetragen und anschliessend bei über 400°C ausgebrannt. Unterschiede zwischen den Herstellern gibt es nur in den zusätzlichen Zwischenschichten, die die Beschichtung robuster machen und Kratzer besser abhalten. 

Gibt es aus Ihrer Sicht heute bereits praktikable Alternativen zu PTFE-basierten Antihaftbeschichtungen? Wie schneiden diese hinsichtlich Funktionalität, Haltbarkeit und Sicherheit ab?

Vor knapp 20 Jahren hat Kuhn Rikon in einem InnoSuisse-Projekt mit Schweizer Fachhochschulen versucht, Alternativen zu PTFE zu finden. Aber das damalige Ergebnis entspricht leider auch der heutigen Situation: Es gibt bis heute keine echte Alternative, die die gleichen Eigenschaften wie PTFE hat. Seit gut 20 Jahren werden keramische Beschichtungen angeboten. Diese Beschichtungen verwenden im Herstellungsprozess keine PFAS. Aber trotz grosser Fortschritte ist es bisher nicht gelungen eine keramische Lösung zu finden, die wirklich gleichwertig ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Fluoropolymere einzigartige Eigenschaften haben und es logischerweise sehr schwierig ist, etwas zu ersetzen, das einzigartig ist. Aus diesem Grund lobt Kuhn Rikon Produkte mit keramischen Beschichtungen nicht als antihaft aus.

Sehen Sie technologische Entwicklungen oder vielversprechende Forschungsansätze, um in Zukunft bei der Antihaftbeschichtung auf PTFE vollständig verzichten zu können?

Es wird sehr intensiv an diesem Thema geforscht. Aber die Anforderungen an eine Antihaftbeschichtung einer Bratpfanne sind enorm: Sie muss etwa zugelassen sein für den Kontakt mit Lebensmitteln, hohe Temperaturen bis 250°C aushalten, stabil gegenüber sauren und basischen Lebensmitteln, kratzbeständig und spülmaschinen-tauglich sein. Forschende kontaktieren uns immer wieder mit der festen Überzeugung, dass sie Lösungen für die Bratpfanne hätten. Wenn sie aber die Anforderungsliste erhalten, werden sie skeptisch. Bis heute wurde mir keine echte Alternative präsentiert.

Welche Auswirkungen hat PTFE auf den menschlichen Körper, insbesondere in Bezug auf den Einsatz im Kochgeschirr und den Kontakt mit Lebensmitteln? Gibt es definierte Richtwerte und/oder Studien dazu?

Wie bereits erwähnt, ist PTFE nicht giftig oder krebserregend. Es ist ein Polymer, das vom Verdauungstrakt nicht aufgenommen wird. Etwas salopp gesagt: PTFE ist zu gross und zu stabil, als dass unser Magen oder Darm etwas damit anfangen könnte. Wenn jemand also PTFE-Teile schluckt, werden diese einfach wieder ausgeschieden. Dies führt dazu, dass es im Gegensatz zu Wasser keine Grenzwerte für PTFE gibt. Diese Aussage wurde immer wieder von wissenschaftlichen Studien bestätigt. Auch sehr kritische Stimmen bezüglich PFAS, wie Prof. Martin Scheringer von der ETH Zürich, bestätigen, dass bei der Aufnahme von PTFE kein Risiko besteht.

Was sollten Konsumentinnen und Konsumenten beim Einsatz von antihaftbeschichteten Pfannen beachten, um diese sicher und verantwortungsvoll zu nutzen?

PTFE ist ein Polymer, das sich bei sehr hohen Temperaturen zersetzen kann. Das ist in der Regel kein Problem, denn diese Temperaturen liegen viel höher als die Temperaturen, bei denen sich das Öl oder Fett zersetzen oder das Lebensmittel verbrennt. Trotzdem kommt es leider immer wieder vor, dass Bratpfannen überhitzt werden. Ganz generell kann man sagen, dass Bratpfannen nicht zu stark erhitzt werden sollen. Meistens genügen zwei Drittel der Power der heutigen Induktionsherde. Ausserdem sollen Bratpfannen nicht unbeaufsichtigt erhitzt werden.

Wie erleben Sie den Austausch innerhalb der Branche? Spüren Sie produktionsseitig einen gewissen Innovationsdruck oder herrscht eher Zurückhaltung? Wie ist die Haltung der Branche gegenüber einem möglichen PFAS-Verbot?

Ich war vier Jahre lang Präsident und bin aktuell Vizepräsident des europäischen Verbands für Kochgeschirr (FEC - Federation of the European Cookware and Cutlery Industries). Gemäss einer Umfrage aus dem Jahr 2023 würde ein Verbot von PTFE-Beschichtungen zu grossen Problemen einzelner Hersteller führen, da diese hohe Investitionen in Beschichtungsanlagen getätigt haben. Gleichzeitig wird sehr intensiv an möglichen Alternativen geforscht, aber wie bereits erwähnt, ist es nicht einfach, eine einzigartige Lösung zu ersetzen.

Welche Rolle spielen Konsumentinnen und Konsumenten in dieser Debatte? Beobachten Sie seit der öffentlichen Diskussion über PFAS-Rückstände ein verändertes Kaufverhalten?

Konsumentinnen und Konsumenten sind in dieser Debatte sehr wichtig. Leider werden sie immer wieder mit Falschaussagen verwirrt, wie PFAS oder Teflon seien giftig. Aber bei weitem nicht alle 14'000 PFAS sind giftig und ganz besonders nicht Teflon bzw. PTFE. Als Reaktion weichen Konsumentinnen und Konsumenten auf unbeschichtete Edelstahlpfannen aus. Dies sind exzellente Produkte mit einer langen Lebenszeit, aber sie haben keine Antihafteigenschaften und sind nicht vergleichbar mit PTFE-beschichteten Pfannen.

Haben Sie einen persönlichen Wunsch oder eine Empfehlung bezüglich der Haltung gegenüber PFAS, insbesondere PTFE?

In der PFAS-Debatte wünsche ich mir, dass viel präziser formuliert und berichtet wird. Ein grosser Teil der PFAS-Verunreinigungen in unserer Umwelt kommen aus Anwendungen wie Feuerwehrschaum oder Kühlmitteln. Bei der politischen Entscheidung bezüglich PFAS sollten zuerst die relevanten Emissionsquellen verboten werden, bevor die vielen nützlichen Anwendungen mit minimalen Emissionen eingeschränkt werden. Dazu braucht es eine kompetente, sachliche Diskussion und keine Pauschallösungen.

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