Acker ist nicht gleich Acker – über «FFF», «NEK» und «SAK»
14.10.2025 0
Nicht jeder Boden eignet sich für den Anbau von Erbsen? Diese Woche diskutiert die Familie Richter über die Einteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Schweiz.
Wie man die Nutzflächen der Landwirtschaft einteilt – und wieso überhaupt
Diese Fragen werden im Artikel beantwortet:
Wie viel Fläche in der Schweiz ist Ackerland?
Wieso ist es nötig, die Landwirtschaftsfläche in verschiedene Kategorien einzuteilen?
Wieso kann nicht auf jedem Boden jede Kultur angebaut werden?
Was heisst «Fruchtfolge»? Und wofür stehen «NEK» und «SAK»?
In welchen Teilen der Schweiz werden vor allem welche Kulturen angebaut?
Welchen Anteil der Fläche der Schweiz nutzt die Landwirtschaft eigentlich für die Nahrungsmittelproduktion? Eine scheinbar einfache Frage – doch die Antwort darauf ist äusserst komplex. Die Kurzantwort: Etwas mehr als ein Drittel der Schweizer Landesfläche wird von der Landwirtschaft bewirtschaftet.Doch: Davon ist nur etwa ein DrittelAckerland, also Flächen, die tatsächlich mit Ackerfrüchten wie Getreide, Mais oder Kartoffeln bepflanzt sind.
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Die bestgeeigneten Böden für den Ackerbau sind die sogenannten Fruchtfolgeflächen (FFF). Sie werden nicht immer als Acker benutzt, sondern auch mal als Dauerwiese, Obstkulturfläche oder liegen vorübergehend brach. Das erklärt auch, weshalb der Anteil der FFF an der Schweizer Landesfläche mit 11% grösser ist als der Anteil der Ackerflächen an der Schweizer Landesfläche(9-10%).
Doch was ist mit dieser spannenden alliterierenden Wortkombination «Fruchtfolgefläche» genau gemeint? FFF seien «ein Teil der Erfolgsgeschichte für gesunde, fruchtbare Böden», sagt Bettina Hübscher im Podcast. Die Bäuerin mit Fachausweishat an der Uni Zürich Geografie im Master studiert und arbeitet heute als Expertin für Boden und Grundwasser beim Zürcher Bauernverband.
Im Podcast erklärt Hübscher Fruchtfolgeflächen wie folgt: «Ich kann nicht jedes Jahr dieselbe intensive Kultur auf der gleichen Fläche anbauen, weil diese den Boden einseitig beanspruchen und auslaugen würden. Auch der Krankheits- und Schädlingsdruck würde irgendwann sehr stark.» Ideal sei darum eine Wechselfolge von verschiedenen Pflanzenfamilien, die verschieden stark Nährstoffe zehren. Dazwischen brauche es Erholung für den Boden – etwa in Form einer Kunstwiese mit Klee, der Stickstoff bindet.
Eine Fläche, auf der heute Kartoffeln wachsen ist nächstes Jahr also vielleicht ein Maisacker und übernächstes Jahr eine angesäte Kunstwiese. Die gesamte Landwirtschaftliche Nutzfläche ist im Kanton Zürich zudem in unterschiedliche Qualitätsstufen eingeteilt, die sogenannten «Nutzungseignungsklassen» (NEK).
Die Bewertung dieser Klassen reicht von 1 bis 10: Bis Klasse 6 gelten die entsprechenden Flächen als (bedingt) geeignet für die landwirtschaftliche Produktion. Wofür sich die einzelnen Klassen in der Praxis genau eignen, worauf das System dieser Qualitätsstufen überhaupt basiert, und welche typischen Konflikte es zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und etwa Raumplanung gibt, führt Hübscher im Podcast aus:
Podcast-Folge der Woche
Wein, Obst und Beeren – nur 4% der landwirtschaftlichen Nutzfläche
Wo es Landwirtschaft gibt, sind Direktzahlungen des Bundes nicht weit. Um die Direktzahlungsbeiträge an die Landwirtschaftsbetriebe klar zu regeln, müssen auch die Landwirtschaftlichen Nutzflächen genau eingeteilt werden. Grob unterteilt die Landwirtschaftliche Begriffsverordnung (LBV) die Nutzflächen in die erwähnten Ackerflächen, das ebenfalls erwähnte Grünland und inFlächen mit Dauer- und Spezialkulturen wie Weinreben, Obst oder Beeren, – wobei diese Kategorie aber nur etwa 4% aller Landwirtschaftlichen Nutzflächen ausmacht. Um die Beiträge im Detail zu regeln, weist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) jeder Kultur einen Code zu.
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Doch die Einteilung der Landwirtschaftlichen Nutzflächen hat noch einen weiteren wichtigen Zweck: Sie «hilft dabei, die Betriebsgrösse in sog. ‘Standardarbeitskräften’ (SAK) festzulegen. Das bedeutet, man kann abschätzen, wie viel Arbeitsaufwand auf dem Betrieb anfällt, je nachdem, wie viele Vollzeitpersonen es für die Bewirtschaftung einer bestimmten Fläche brauchen würde», erläutert Daniel Meyer vom BLW im Interview am Ende dieses Artikels. Erst dadurch sei es möglich, den Personalbedarf zu planen und den Betrieb wirtschaftlich zu bewerten.
Welche weiteren Vorteile sich aus der Einteilung Landwirtschaftlicher Nutzflächen ergeben und durch welche charakteristischen Merkmale sich die drei Haupt-Flächen-Typen auszeichnen, erklärt Meyer ebenso im Interview. Zudem gibt er bekannt, wo in der Schweiz welche Ballungsräume bestimmter Kulturen auftreten. (Spoiler: Der Ballungsraum für Äpfel ist der Kanton Thurgau.)
Statistik der Woche
Hast du gewusst, dass...?
Interessante Zahlen und Fakten zum Thema Einteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen:
Interessante Zahlen und Fakten zum Thema Einteilung der Landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Auf dem Landwirtschaftsbetrieb von Jürg Kägi in Gutenswil ZHzeigt sich in der Praxis: Nicht jeder Boden eignet sich für jede Nutzung. Im Video führt Kägi drei unterschiedliche Flächen vor:
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eine Weidefläche in Hanglage, eine fruchtbare Ackerfläche, die sichfür Kulturen wie Gemüse, Kartoffeln oder Weizen eignet, sowie ein Stück Land mit schwerem, wasserstauendem Lehmboden. Dort gedeiht kein Gemüse – lediglich Getreide und Mais lässt sich anbauen. «Man kann Böden nicht austauschen, man muss mit dem arbeiten, was vorhanden ist», fasst Kägi zusammen.
Video der Woche
Interview der Woche
«Die Einteilung der Flächen beeinflusst die landwirtschaftliche Praxis direkt»
Daniel Meyer ist stellvertretender Leiter im Fachbereich Direktzahlungsgrundlagen beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Im Interview erklärt er, wieso es notwendig ist, die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Kategorien einzuteilen, wie sich verschiedene Flächen-Typen unterscheiden und in welchen Gebieten der Schweiz welche Kulturen besonders gut gedeihen.
1. Wie sind landwirtschaftliche Nutzflächen (LN) definiert?
Die landwirtschaftliche Nutzfläche ist die Fläche eines Betriebs, die landwirtschaftlich genutzt wird – auf der also Pflanzen als Nahrungsmittel für uns Menschen oder Tiere angebaut werden, oder auf denen Nutztiere gehalten werden. Diese Nutzflächen werden eingeteilt, etwa inAckerflächen, auf denen beispielsweise Getreide oder Kartoffeln angebaut werden, Naturwiesen und –weiden(sog. «Grünland») oderDauer- und Spezialkulturen wie Reben, Obst oder Beeren. Sömmerungsflächen – das sind Alpweiden, auf denen sich Tiere im Sommer aufhalten – werden in Bezug auf Direktzahlungen separat erfasst.
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2. Anhand wovon werden diese Flächen eingeteilt?
Rechtsgrundlage bildet die Landwirtschaftliche Begriffsverordnung (LBV): Sie enthält die verbindlichen Begriffe für alle Verordnungen im Bereich der Landwirtschaftsgesetzgebung. Zusätzlich weist der Kulturenkatalogdes Bundesamts für Landwirtschaft jeder Kultur einen Code zu und regelt die Beitragsberechtigung.(Anm. d. Red.: Der Kulturenkatalog ist als Merkblatt 6.2auf der Webseite des BLW unter Übersicht Direktzahlungen bei «Dokumenten» am Ende der Seite zu finden.)
3. Wieso ist es überhaupt notwendig, Nutzflächen einzuteilen?
Damit auf rechtlicher Ebene Klarheit herrscht und die Flächen in Bezug auf Direktzahlungen des Bundes oder den Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) klar überprüft und allenfalls gefördert werden können.(Anm. d. Red.: Der ÖLN regelt in der Schweiz, welche ökologischen Anforderungen Bäuerinnen und Bauern erfüllen müssen, um Direktzahlungen zu erhalten.)Ausserdem hilft die Einteilung der LN dabei, die Betriebsgrösse in sog. «Standardarbeitskräften» (SAK) festzulegen. Das bedeutet, man kann abschätzen, wie viel Arbeitsaufwand auf dem Betrieb anfällt, je nachdem, wie viele Vollzeitpersonen es für die Bewirtschaftung einer bestimmten Fläche brauchen würde. Erst dann ist es möglich, den Personalbedarf zu planen und den Betrieb wirtschaftlich zu bewerten. Zudem kann die Nährstoffbilanz eines Betriebes durch eine Einteilung der Nutzflächen ausgerechnet werden. Eine Einteilung ist schliesslichnotwendig, um Statistiken zu erheben und Ernteerträge zu schätzen.
4. Was sind die Charakteristiken der verschiedenen Flächen-Typen? Wie unterscheiden sie sich etwa in der Qualität der Bodenfruchtbarkeit oder in Bezug auf die Klimabedingungen?
Eine grobe Übersicht:
Ackerflächen sind tiefgründige, gut bearbeitbare Böden, vor allem im Schweizer Mittelland und im Seeland. Sie erlauben die breiteste Kulturwahl, stellen aber höhere Ansprüche an die Bodenbearbeitung, und die Wasserverfügbarkeit wird zunehmend wichtiger.
Grünland prägt die Voralpen, Alpen sowie Teile des Mittellandes und ist stark vom Klima abhängig – bei Trockenheit leidet es, bei feuchterem oder milderem Klima gedeiht es gut.
Dauer- und Spezialkulturenwie Wein, Obst oder Beeren sind stark vom Standort und Mikroklima abhängig. Süd- und Hanglagensind von Vorteil, da es hier mehr Sonne und Wärme gibt; in Föhnregionen kann warme, trockene Luft das Wachstum fördern, aber auch zu Trockenstress führen. Seeregionen haben oft mildere Winter und längere Vegetationsperioden (Anm. d. Red.: Dies ist Zeit zwischen Wachstumsbeginn und Ernte.), das fördert das Reifen der Kulturen.
Im Geografischen Informationssystem (GIS) gibt es eine Klimaeignungskarte, die zeigt, welche Regionen sich für welche Kulturen eigenen, abhängig von Klima, Temperatur, Niederschlag und anderen Umweltfaktoren.
5. Welche Rolle spielen ökologische Kriterien (z.B. Biodiversität oder Bodenschutz) bei der Einteilung der Nutzflächen?
Die ÖLN-Anforderungen (z. B. Mindestanteile an Biodiversitätsförderflächen) sind Voraussetzung für Direktzahlungen. Dazu kommen Beiträge für Bodenbedeckung, schonende Bodenbearbeitung, Landschaftsqualität, Biodiversitäts- und Vernetzungsbeiträge usw. Dies ist alles in der Direktzahlungsverordnung (DZV) geregelt.
6. Gibt es bestimmte Ballungsräume in der Schweiz für bestimmte Kulturen?
Auch hier eine grobe Übersicht:
Gemüse findet sich vor allem im Seeland («Grosses Moos»). Rund ein Viertel des Schweizer Gemüses stammt von hier.
Weinreben kommen vor allem in den Kantonen Wallis, Waadt, Genf, Tessin und am Genfer- und Bielersee vor.
Obstund vor allem Äpfel stammen zu einem Grossteil aus dem Kanton Thurgau.
Zuckerrüben sind stark im Seeland und im Mittelland (historisch Aarberg) verbreitet.
Kartoffeln wachsen besonders im Mittelland.
7. Wie wirkt sich die Kategorisierung auf die landwirtschaftliche Praxis konkret aus – etwa bei der Wahl der Kulturenoder bei der Bewirtschaftungsweise?
Die Einteilungder Flächen beeinflusst die landwirtschaftliche Praxis direkt: Sie legt fest, welche Kulturen angebaut und welche Fruchtfolgen – also die geplante Abfolge von Pflanzen auf derselben Fläche über mehrere Jahre – eingehalten werden müssen. Dabei müssen die Landwirte auch die vorgeschriebenen Mindestanteile an Biodiversitätsförderflächen einhalten.
8. Wie hat sich die Einteilung der Flächen historisch verändert?
Die landwirtschaftliche Begriffsverordnung LBV bündelt seit 1984 die Begriffe bereichsübergreifend. Seither wurden Definitionen der laufenden Praxis angepasst und nach Bedarf erweitert.
9. Gibt es eine Verschiebung oder Weiterentwicklung bei der Kategorisierung der Flächen? Etwa durch den Klimawandel oder durch veränderte landwirtschaftliche Praktiken?
Die grundlegende Einteilung der landwirtschaftlichen Flächen bleibt zwar bestehen, doch der Klimawandel bringt spürbare Veränderungen mit sich. Längere Vegetationsperioden eröffnen Chancen für neue Kulturen wie Soja, Hirse oder Wein auch in höheren oder nördlicheren Lagen. Gleichzeitig steigt durch Hitze und Trockenheit der Bewässerungsbedarf erheblich – Modellrechnungen gehen bis Ende des Jahrhunderts von einer Zunahme von 40 Prozent, bei längerer Anbauperiode sogar bis zu 80 Prozent aus. Auf diese Entwicklungen reagiert auch der Kulturenkatalog: Er wird bei Bedarf ergänzt, um neue Möglichkeiten und Herausforderungen in der Landwirtschaft abzubilden.
Daniel Meyer vom BLW hat für Familie Richter eine Tabelle zur typischen Nutzung verschiedener Flächen erstellt.
Das Wichtigste in Kürze:
- Etwa ein Drittel der Schweizer Landesfläche ist landwirtschaftliche Nutzfläche (LN). Doch nur etwas mehr als ein Drittel dieser Böden kann beackert werden.
- Für den Ackerbau eigenen sich vor allem die sog. «Fruchtfolgeflächen» (FFF): Hier wird von Jahr zu Jahr eine andere Ackerfrucht angebaut.
- In Zürich teilt man die LN zudem in unterschiedliche «Nutzungseignungsklassen» (NEK) ein.
- Die Einteilung der LN hilft u. a. dabei, die Betriebsgrösse in sog. «Standardarbeitskräfte» (SAK) festzulegen.
- Ein Viertel des Schweizer Gemüses wächst im Seeland, Weinreben befinden sich vor allem in den Kantonen Wallis, Waadt, Genf und Tessin.
Für den vorliegenden Beitrag wurden folgende Quellen verwendet:
Überarbeitung/Stärkung des Sachplans Fruchtfolgeflächen Bericht der Expertengruppe im Auftrag des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)