Familie Richter – Hauptartikel
Familie Richter

Hülsenfrüchte: Pflanzliche Proteine auf dem Vormarsch?

Diese Woche diskutiert Familie Richter über Hülsenfrüchte.

Hülsenfrüchte: Pflanzliche Proteine auf dem Vormarsch?

Diese Fragen werden im Artikel beantwortet:

  • Was sind Hülsenfrüchte und was macht sie so gesund?

  • Welche ökologisch positiven «Neben-Effekte» haben sie?

  • Was unterscheidet pflanzliche von tierischen Proteinen?

  • Wieso sind importierte Linsen oder Kichererbsen so viel günstiger?

  • Wie setzt sich die «Lobby» für Hülsenfrüchte in der Schweiz zusammen?

  • Essen wir hierzulande genug dieser «Wunderfrüchte»?

  • Führen Bohnen automatisch zu Blähungen?

Hülsenfrüchte sind Pflanzensamen, die in einer Hülse heranreifen. Zu ihnen zählen Linsen, Kichererbsen, weisse Bohnen, Erbsen sowie Sojabohnen, aber auch Erdnüsse. Seit rund zehn Jahren werden diese «Proteinbomben» in der Schweiz auch für die menschliche Ernährung angebaut – davor hauptsächlich als Futtermittel für Tiere. Zehn Jahre sind eine erstaunlich kurze Zeit, wenn man bedenkt, dass Linsen zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt gehören. Bereits vor über 9'000 Jahren wurden Linsen im Nahen Osten kultiviert – lange, bevor Weizen oder Gerste in grösserem Mass angebaut wurden.

+

In der Schweiz wachsen Hülsenfrüchte auf einer Fläche von 7800 Hektaren. Das ist fünf Mal die Fläche der Stadt Genf. Oder zwei Mal die Fläche der Stadt Lausanne. Oder beinahe die Fläche der gesamten Stadt Zürich. Und trotzdem: Nur rund vier Prozent der Nachfrage in unserem Land nach Hülsenfrüchten kann durch den einheimischen Anbau abgedeckt werden. Und das, obwohl wir jährlich pro Person lediglich zwei Kilogramm Hülsenfrüchte konsumieren. ( – Die Ernährungsstrategie 2024 des Bundesamtes für Ernährung empfiehlt 20 Kilogramm, also zehnmal mehr.)

Der Grossteil der Linsen oder Kichererbsen auf unseren Tellern wird also aus dem Ausland importiert – wohlgemerkt ohne existierenden Grenzschutz. Das heisst: Es existieren kaum Importzölle oder Handelsschranken für Hülsenfrüchte aus dem Ausland, deshalb ist die importiere Ware deutlich günstiger als Schweizer Linsen & Co.

Erst seit 2023 unterstützt der Bund den Anbau von Hülsenfrüchten für die menschliche Ernährung zwar mit einem Einzelkulturbeitrag. Doch ob auf Schweizer Äckern in Zukunft mehr Hülsenfrüchte wachsen, hängt stark davon ab, ob der Detailhandel den Schweizer Produkten den Vorzug gibt und auch davon, ob Konsumentinnen und Konsumenten die teureren Schweizer Hülsenfrüchte kaufen. 

Anspruchsvoller Anbau, vielfältige Hindernisse  

Der Anbau von Hülsenfrüchten in der Schweiz steht massiven klimatischen Herausforderungen, Ertragsrisiken und fehlender Insektizide gegenüber. «Linsen lassen sich im Gegensatz zu Kichererbsen ohne grossen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln anbauen», sagt René Ritter im Video. Auf dem Leimenhof in Wenslingen BL baut der Landwirt seit wenigen Jahren Hülsenfrüchte an – dies als Reaktion auf die gesellschaftliche Forderung, mehr pflanzliches Eiweiss zu produzieren. 

+

Doch beim Anbau von Kichererbsen werde im Vergleich zum Ausland mit ungleichem Massstab gemessen: «Bei uns gibt es praktisch keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel», so Ritter. Weil der Landwirt aufgrund von Schädlingen schon mehrere Ernteausfälle erlebt hat, appelliert er an die Politik, gewisse Pflanzenschutzmittel (wieder) zu erlauben. So würden die Erträge weniger grossen Schwankungen unterliegen. 

Video der Woche

Hülsenfrüchte haben eine «Lobby» 

Linseneintopf, Falafel, Chili con carne oder Hummus. Diese Gerichte aus oder mit Hülsenfrüchten kennt man in der Schweiz, aber die wenigsten konsumieren sie regelmässig. In anderen Ländern gehören Hülsenfrüchte zur täglichen Nahrung selbstverständlich dazu. Gerade bei Vegetarierinnen oder Veganern liegen die pflanzlichen Proteinspender sehr im Trend. Unternehmen wie das Start-Up «Fabas» setzen sich für die Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten ein. 

+

Zusammen mit einer Hochschule (HES-SO Sion) hat das Unternehmen mit Geschäftsführerin und Co-Founder Anik Thaler einen Prozess entwickelt, um aus Hülsenfrüchten ein Proteinextrakt herzustellen. Daraus ist bisher etwa ein Bohnendrink entstanden, den man einsetzen kann wie Kuhmilch: «Man kann mit dieser Bohnenmilch also auch beispielsweise ein pflanzliches Joghurt herstellen», erzählt Thaler im Podcast.

Der «Verein Schweizer Hülsenfrüchte» verfolgt das Ziel, mehr Know-How über Anbau und Verkauf der gesunden Lebensmittel zu verbreiten. Die Hülsenfrüchte werden als nachhaltige Ernährungsoptionen propagiert, denn sie produzieren im Vergleich zu Fleisch deutlich geringere Mengen an Treibhausgasen – und sind fähig, Stickstoff direkt aus der Luft aufzunehmen, wie Anik Thaler im Podcast ausführt. So düngen sich Hülsenfrüchte auf natürliche Art selber und liefern zudem noch Nährstoffe für die Folgekultur auf dem Acker.

Die «Biofarm Genossenschaft» fördert den Anbau von Bio-Hülsenfrüchten hierzulande. Das Label «IP-Suisse» – das «IP» steht für «Integrierte Produktion» – engagiert sich über Joint Ventures für die Produktion und Vermarktung von Hülsenfrüchten und hat pflanzenbasiertes Hack oder Geschnetzeltes als Fleischersatzprodukte entwickelt. Der Strickhof organisiert Fachtagungen für den Anbau und die Verarbeitung einheimischer Proteine wie Hülsenfrüchte und die Syngenta Schweiz unterstützt den nachhaltigen Anbau durch Beratung und gezielte Massnahmen im Pflanzenschutz.

Podcast-Folge der Woche

Mehr Interesse bei der Bevölkerung wecken

In der Schweiz gäbe es genügend Produzentinnen und Produzenten von Hülsenfrüchten – allein beim Start-Up Fabas stehen über 100 Landwirtinnen und Landwirte auf einer Warteliste. Das Problem liegt also nicht in der Produktion, sondern im Absatz.

+

Daher greift der Ruf aus der Bevölkerung, die Landwirtschaft solle mehr pflanzliche Proteine produzieren, zu kurz. Die Landwirtschaft könnte und würde und tut auch – doch solange die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen wie Linsen und Kichererbsen hierzulande ausbleibt, liegt ihr Potenzial brach.

Die Schweizerinnen und Schweizer, die regelmässig Hülsenfrüchte konsumieren, kaufen lieber die günstigen Produkte aus dem Ausland – wir erinnern uns: fehlender Grenzschutz. Doch auch der Absatz der günstigen Importware ist verhältnismässig gering. Die Hülsenfrüchte haben ihren festen Platz in der Schweizer Ernährung also (noch) nicht gefunden.... 

Statistik der Woche

Hast du gewusst dass...?

Interessante Zahlen und Fakten zum Thema «Hülsenfrüchte»:

Nährwerte und Zubereitung 

Für ernährungsbewusste Menschen sind Hülsenfrüchte nicht nur wegen ihres hohen Prozentsatzes an Proteinen so beliebt – die «Wunderfrüchte» enthalten fast halb so viel Eiweiss wie Fleisch. Daneben enthalten die wertvollen Lebensmittel auch Kohlenhydrate, Magnesium, Eisen, Kalium, Zink sowie B-Vitamine und Nahrungsfasern. 

+

Stéphanie Bieler, Fachexpertin Ernährung bei der Schweizer Gesellschaftfür Ernährung (SGE), erklärt im untenstehenden Interview den Unterschied zwischen pflanzlichem und tierischem Eiweiss. Auch entkräftet sie Bedenken in Bezug auf die Verträglichkeit: «Sobald sich die Verdauung an die Hülsenfrüchte gewöhnt hat, verschwinden auch allfällige Blähungen», so Bieler. Und wer sich vor der Zubereitung scheue, könne auf bereits gekochte Hülsenfrüchte aus der Dose oder dem Glas zurückgreifen.

Interview der Woche

«Blähungen verschwinden, sobald sich die Verdauung an Hülsenfrüchte gewöhnt hat »

Stéphanie Bieler ist Fachexpertin Ernährung bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). Im Interview ordnet Sie die Wichtigkeit von Hülsenfrüchten im Speiseplan ein und räumt mit gängigen Vorurteilen auf. 

Wie wichtig sind Hülsenfrüchte für unsere Ernährung?

Stéphanie Bieler: Hülsenfrüchte sind sehr wertvolle Lebensmittel: Sie sind reich an Proteinen und Kohlenhydraten. Darüber hinaus enthalten sie Magnesium, Eisen, Kalium und Zink sowie B-Vitamine und Nahrungsfasern. Konkrete Nährstoffdaten kann man in der Schweizer Nährwertdatenbank einsehen. Leider konsumieren wir in der Schweiz noch viel zu selten Hülsenfrüchte.


+

Wie können wir Hülsenfrüchte in eine ausgewogene Ernährung integrieren?
In der «Lebensmittelpyramide» werden Lebensmittel entsprechend ihrer Nährstoffe zu bestimmten Gruppen zusammengefasst. Die Schweizer Ernährungsempfehlungen, die im Herbst 2024 publiziert wurden, positionieren die Hülsenfrüchte deutlicher als die Vorgängerversionen: Sie werden ganz prominent als Ernste in der Gruppe «Hülsenfrüchte, Eier, Fleisch und weitere» genannt und zählen zu den Proteinlieferanten. Es wird explizit empfohlen, mindestens einmal pro Woche Hülsenfrüchte zu konsumieren. Viele Online-Rezepte geben dazu Inspirationen: Etwa vegetarische Bolognese mit roten Linsen.


Warum sind Proteine so wichtig für unsere Ernährung?

Nahrungsproteine setzen sich aus verschiedenen Aminosäuren zusammen, die der Körper verwendet, um körpereigene Proteine aufzubauen. Diese benötigt er etwa für den Aufbau von Muskeln, Hormonen, Enzymen oder Antikörpern. Es gibt 21 verschiedene Aminosäuren, von denen neun als unentbehrlich (essenziell) gelten – weil sie vom Körper nicht selbst hergestellt werden können. Auf die Zufuhr dieser neun Aminosäuren durch die Nahrung sind wir also unbedingt angewiesen.

Was ist der Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Proteinen?

Tierische Proteine wie Fleisch, Fisch, Milch oder Eier enthalten immer unentbehrliche Aminosäuren in ausreichender Menge und gelten daher als besonders hochwertig. Pflanzlichen Proteinen hingegen fehlen oft bestimmte Aminosäuren oder sie sind nur in sehr geringer Menge vorhanden. Eine Ausnahme ist die Sojabohne: Sie liefert viel Eiweiss und enthält alle wichtigen Aminosäuren in guter Menge. Das Problem der teilweise fehlenden Aminosäuren in Pflanzenproteinen ist unbedenklich, wenn man auch tierische Produkte isst. Werden nur selten oder keine tierischen Proteine aufgenommen, ist auf Abwechslung bei den pflanzlichen Proteinquellen zu achten.

Welchen Missverständnissen über Hülsenfrüchte begegnen Sie oft?

Ein häufiges Vorurteil: Hülsenfrüchte würden blähen und seien aufwändig zum Kochen. Beides ist zwar nicht ganz bei den Haaren herbeigezogen – aber Blähungen verschwinden üblicherweise, sobald sich die Verdauung an die Hülsenfrüchte gewöhnt hat; und für spontane Hülsenfrucht-Einsätze in der Küche kann auf Linsen ( – insbesondere kleine und geschälte –) oder allenfalls auf bereits gekochte Hülsenfrüchte aus der Dose oder dem Glas zurückgegriffen werden.

Welche kreativen Rezeptideen oder Zubereitungsmethoden empfehlen Sie, um Hülsenfrüchte schmackhaft und abwechslungsreich zu gestalten?

Da gibt es unzählige Varianten! Im Sommer finde ich einen Linsen- oder Kichererbsen-Salat perfekt für jedes Picknick, das Salatbuffet oder das Mittagessen im Geschäft: Gekochte Hülsenfrüchte mit kleingeschnittenem Sommergemüse und allenfalls etwas Käse wie etwa Feta und einer feinen Salatsauce vermengen und voilà: Das gute sättigende, ausgewogene Gericht ist fertig. Im Winter finde ich Linsensuppen, z.B. orientalisch gewürzt, wunderbar wärmend. Was immer funktioniert ist Hummus sowie andere Aufstriche und Dips aus Hülsenfrüchten. Lassen Sie sich von den verschiedenen Länderküchen inspirieren.

Zuletzt: Welches ist Ihre persönliche Lieblingshülsenfrucht?

Die Beluga-Linse. Ich mag ihren Geschmack, den Biss und sie muss vor dem Kochen nicht eingeweicht werden. 

Das Wichtigste in Kürze

Tiefe Inlandproduktion: Schweizer Hülsenfrüchte decken nur 4% der Nachfrage – trotz wachsendem Anbau seit rund zehn Jahren. Der fehlende Grenzschutz macht sie im Vergleich zur Importware doppelt so teuer. 

Herausfordernder Anbau: Der Anbau ist risikoreich, besonders bei Kichererbsen, da weniger Pflanzenschutzmittel erlaubt sind als im Ausland. Das führt zu Ernteausfällen und erschwert die Wettbewerbsfähigkeit. 

Fehlende Nachfrage: Obwohl das Interesse an pflanzlichen Proteinen wächst, bleibt der Konsum mit nur 2kg pro Kopf und Jahr gering. Das Bundesamt für Ernährung empfiehlt 20 kg pro Kopf und Jahr.

Nährwerte und Zubereitung: Hülsenfrüchte sind sehr gesund und nachhaltig, doch viele scheuen die Zubereitung. Bereits vorgekochte Produkte aus der Dose oder dem Glas beschleunigen das Zubereiten von Mahlzeiten.

Für den vorliegenden Beitrag wurden folgende Quellen verwendet: 

Schweizer Hülsenfrüchte haben es noch schwer

Mr. Vegan - No.1 Vegan Onlineshop Switzerland

Willkommen am Strickhof

Fabas Solutions | Sustainable Plant-Based Yogurt and Protein Mixes

Verein Schweizer Hülsenfrüchte – Ein Verein zur Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten in unserer Ernährung.

Renaissance der Hülsenfrüchte | Syngenta

Biofarm Genossenschaft

Linsen (Lens culinaris Medik. subsp. culinaris)

Mehr Schweizer Hülsenfrüchte auf den Teller - Vision Landwirtschaft

IP-SUISSE – BAUERN FÜR GENERATIONEN

Potenzial von Schweizer Hülsenfrüchten nutzen! - Web Services of the Swiss Parliament

Den Beitrag von letzter Woche verpasst? Hier kannst du alles zum Thema «Wiederkäuer» nachlesen, -schauen und -hören:

Wichtig, weidend, Wiederkäuer: Hüter des Graslandes
Familie Richter – Hauptartikel
16. 09. 2025
Wichtig, weidend, Wiederkäuer: Hüter des GraslandesDiese Fragen werden im Beitrag über Wiederkäuer beantwortet:- Wieso sind Wiederkäuer für die Schweiz so wichtig?- Wie funktioniert das Vier-Magen-System bei Kühen, Schafen und Ziegen?- Welches Produktionssystem ist besser: das graslandbasierte oder jenes mit Kraftfutter?- Welchen Stellenwert nehmen die Kuh und Grasland in ökologischer Hinsicht ein?- Welche Leistungen erbringen Wiederkäuer noch neben der Produktion von Lebensmitteln?
Kommentare werden geladen

Bleib informiert

Mit dem Naturtalent-Newsletter bleibst du auf dem Laufenden. Freu dich auf interessante Inhalte zur Zürcher Landwirtschaft.

Suchen Sie hier ...

Resultate werden geladen